Ein Unfallereignis stellt eine Ausnahmesituation dar, die zuweilen von Betroffenen und Angehörigen wichtige Entscheidungen erfordert. Die Regulierung von Sach- und Personenschäden bringt oft einen Kampf mit Versicherungen und Rechtssystemen mit sich. Oft wissen die Unfallopfer nicht, wie sie vorgehen sollen bzw. welche Ansprüche sie haben und welche Rechte ihnen zustehen.
Schadensregulierung bedeutet im wörtlichen Sinn, dass ein Schaden nach einem Straßenverkehrsunfall geregelt wird, wie Personen- und/oder Sachschäden. Ein Personenschaden setzt dabei nicht unbedingt eine physische Einwirkung auf den Körper voraus (z. B. Verletzungen, Brüche), sondern beinhaltet auch psychische Beeinträchtigungen (z. B. Angstzustände).
Haftpflichtversicherung der Kfz-Versicherer
Bei einem unverschuldeten Straßenverkehrsunfall muss die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners die entstandenen Schäden übernehmen. Psychische Beeinträchtigungen, die durch einen Straßenverkehrsunfall ausgelöst werden, können zur Haftung führen. Entscheidend für die Schadenregulierung dabei ist, dass diese Beeinträchtigungen ohne den Unfall nicht aufgetreten wären und somit einen zu regulierenden Schaden darstellen. Bei einer rein psychischen Auswirkung des Unfalls ohne jegliche physische Beeinträchtigung müssen die psychischen Beschwerden jedoch Krankheitswert haben, d. h. über das Normale hinausgehen und medizinisch fassbar sein. Erst wenn der Schaden von der Haftpflichtversicherung anerkannt wurde, wird diese die Kosten für eine psychotherapeutische Intervention übernehmen.
Versicherungen beauftragen meist Gutachter, die z. B. feststellen sollen, ob die psychischen Beeinträchtigungen mit dem Straßenverkehrsunfall in Verbindung stehen. Auf der Grundlage des Gutachtens entscheidet die Haftpflichtversicherung über die Regulierung/Kostenübernahme und zahlt auf Anforderung der Verkehrsunfallgeschädigten einen Vorschuss. Verkehrsunfallgeschädigte haben einen Anspruch auf Vorfinanzierung, um sofort mit Heilmaßnahmen beginnen zu können. Wie sie die finanziellen Mittel verwenden, ist zunächst grundsätzlich ihre eigene Sache. Verkehrsunfallgeschädigte haben das Recht, auch selbst Sachverständige oder ein Gutachten zur Schadensfeststellung zu beauftragen; die Kosten hierfür muss die gegnerische Versicherung übernehmen.
In manchen Fällen kann es vorkommen, dass sich eine Haftpflichtversicherung unverhältnismäßig viel Zeit lässt, um entstandene Schäden zu prüfen und zu regulieren. In diesen Fällen sollten Geschädigte einen Abschlag oder Vorschuss von der Haftpflichtversicherung fordern und die Möglichkeit zu klagen wahrnehmen.
Sozialrechtliche Situation
Insbesondere bei unfallbedingten Verletzungsfolgen – so auch psychische Beeinträchtigungen – wird die Unfallschadenregulierung der privaten Haftpflichtversicherungen durch sozialrechtliche Vorschriften überlagert. Das heißt, das Sozialrecht nimmt Einfluss auf die Leistungs- und Kostenübernahme der Haftpflichtversicherung (die dem Zivilrecht zuzuordnen ist). Dabei ist zu klären, welcher Sozialversicherungsträger (z. B. gesetzliche Unfallversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung) die Behandlungskosten trägt und welcher Träger berechtigt ist, Schäden gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend zu machen.
Weniger bekannt ist, dass die gesetzliche Unfallversicherung und das soziale Entschädigungsrecht dem „Kausalprinzip“ folgen. Das bedeutet, dass sie Leistungen nur in solchen Fällen gewähren, die auf eine bestimmte Ursache (also Causa) zurückgehen (Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Gewaltopferentschädigung). Dem „Finalprinzip“ folgt dagegen die gesetzliche Krankenversicherung, sie ist am Zweck der Leistung ausgerichtet und soll die Behandlung von Krankheiten grundsätzlich ermöglichen.
Gesetzliche Unfallversicherung
Handelt es sich bei dem Unfall und den sich daraus ergebenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen um einen Arbeits-, Wege- oder Dienstwegeunfall, ist in erster Linie die gesetzliche Unfallversicherung für die Behandlung und die damit verbundene Kostenübernahme zuständig. Die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) ist von einer rein privaten Unfallversicherung abzugrenzen. Gesetzliche Unfallversicherungen decken im Allgemeinen nicht nur die medizinischen Kosten (Erstversorgung wie auch Heilbehandlung und Rehabilitation), sondern auch weitere unfallverbundene Kosten. In der gesetzlichen Unfallversicherung ergibt sich der Leistungskatalog aus den im Sozialgesetzbuch VII festgelegten Leistungen. Dem gegenüber hängt der genaue Umfang der Leistungen von privaten Unfallversicherungen vom individuellen Versicherungsvertrag ab.
Bei der gesetzlichen Unfallversicherung steht ein Unfallsachbearbeiter oder eine -sachbearbeiterin den Versicherten persönlich zur Seite, um individuelle, passgenaue Problemlösungen zu koordinieren. Unfallverletzten mit psychischen Beeinträchtigungen wie z. B. Traumabewältigungsstörungen wird im Rahmen der Rehabilitation der berufliche Wiedereinstieg mit entsprechenden Psychotherapien erleichtert.
Krankenversicherung
Handelt es sich bei einem Unfall nicht um einen Arbeits-, Wege- oder Dienstwegeunfall, dann ist die Krankenversicherung zuständig. Der Umfang der Leistung ist unterschiedlich, je nachdem, ob die zu behandelnde Person gesetzlich oder privat krankenversichert ist. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören psychotherapeutische Behandlungen per se zum Leistungskatalog. Die gesetzliche Krankenversicherung hat einen Regressanspruch gegenüber der Haftpflichtversicherung der geschädigten Person. Bei der privaten Krankenversicherung ist die Leistungserbringung einer Psychotherapie individuell vertraglich versicherbar.
Eine Psychotherapie ist häufig eine schnell erforderliche Behandlungsleistung. Wartefristen bis zu drei Monaten bei Erwachsenen, aber nur sechs Wochen bei Kindern und Jugendlichen sind hinzunehmen, wenn dadurch keine akuten Beeinträchtigungen der Geschädigten zu erwarten sind. Geschädigte Patienten, die innerhalb angemessener Zeit nachweislich keinen Therapieplatz erhalten, können bei ihrer Krankenkasse die Behandlung durch psychologische Therapeuten, die eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, aber keine Kassenzulassung besitzen, auf dem Weg der Kostenerstattung beantragen. Geschädigte sollten sich daher zur Unterstützung an ihre Krankenversicherung wenden.
Spätere sozialrechtliche Ansprüche
Psychische Beeinträchtigungen, die behandlungsbedürftig sind, stellen sich nicht unbedingt unmittelbar nach dem Unfallereignis ein. Dadurch können entsprechende psychotherapeutische Interventionen möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt notwendig werden, stehen aber kausal mit dem Unfallereignis in Verbindung und stellen somit sozialrechtliche Ansprüche dar. Daher ist eine vollständige und umfassende Dokumentation vom Unfallgeschehen, der Behandlung und der Rehabilitation zwingend anzuraten. Ein sorgfältiges Besorgen und Verwahren medizinischer Befundunterlagen ist unabdingbar.
Verkehrsopferhilfe
Um Ansprüchen durch Personen- oder Sachschaden aus dem Gebrauch eines Kfz in Fällen zur Durchsetzung zu verhelfen, in denen Lücken in der Form bestehen, dass der Verursacher – infolge Verkehrsunfallflucht oder mangelndem Kfz-Pflichtversicherungsvertrag – nicht greifbar ist, hat der Gesetzgeber durch § 12 Abs. 1 PflVersG einen deutschen Garantiefonds (Verkehrsopferhilfe – VOH) geschaffen, der aber nur äußerst begrenzte Entschädigungsaufgaben wahrnimmt und auch nur subsidiär eintrittspflichtig ist. Getragen von den deutschen Autoversicherern im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werden über die Verkehrsopferhilfe bundesweit jährlich ca. 150 Verkehrsunfälle anerkannt1, in denen ein (für den VOH-Leistung nötiger) Personenschaden durch ein nicht haftpflichtversichertes fremdes Kfz eingetreten ist. Leistungen werden in den wenigen anerkannten Fällen überdies auch nur mit weiteren Einschränkungen gewährt2.
1 Vgl. GDV (2015): Unversichert beim Autounfall – Das leistet die Verkehrsopferhilfe, URL: https://www.gdv.de/de/themen/news/das-leistet-die-verkehrsopferhilfe-17142 (Abruf am 12.03.2018)
2 Vgl. GDV (2018): Der Verein Verkehrsopferhilfe e.V. (VOH), URL: http://www.verkehrsopferhilfe.de/wp-content/uploads/2016/06/Der_Verein_Verkehrsopferhilfe_160415.pdf (Abruf am 12.03.2018)